TACHELES BERLIN

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QUELLE:
http://www.dhm.de/museen/berlin-mitte/tacheles.htm


Vom Kaufhaus zum Kunsthaus

Friedrichstrassen-Passagen - AEG-Haus der Technik
- Kunsthaus Tacheles

Das Kunsthaus TACHELES in der Oranienburger Straße ist seit Jahren auch über Berlin hinaus zum Begriff geworden. Weniger bekannt dürfte die Vorgeschichte des Gebäudes sein, die das Museum Mitte von Berlin in seiner Ausstellung vom 16.4. bis zum 26.9.1999 vorgestellt hat. Anhand von Photographien, Plänen, Dokumenten und Originalobjekten wurde die Bau- und Entwicklungsgeschichte dieses verschwundenen Monumentalgebäudes auf den Grundstücken Friedrichstraße 110-112/ Oranienburger Straße 54-56a anschaulich dargestellt. Befunde einer baugeschichtlichen Untersuchung, welche die Bauhistorikerin Michaela van den Driesch 1998 im Auftrag des Landesdenkmalamtes Berlin durchführte, bildeten die Grundlage der Ausstellung - eine Reihe der Forschungsergebnisse waren auch als Bestandteil der Ausstellung zu sehen. Auf den folgenden Seiten wird diese Ausstellung dokumentiert.
Passage-Kaufhaus


Nach dem Deutsch-Französischen Krieg - in den sogenannten Gründerjahren von 1871 bis 1874 - begann in Berlin eine Zeit stürmischer wirtschaftlicher und baulicher Entwicklungen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden durch diese Verstädterung und den Zuzug vieler Menschen neue Formen des Einzelhandels, deren Höhepunkt im Warenhausbau lag. Dessen baugeschichtliche Wurzeln sind ebenso wie die der Passagen in den orientalischen Basaren und den Kaufhallen des Mittelalters zu suchen.
Das erste Warenhaus Berlins wurde 1894 als Vertreter eines eigenen neuen Bautyps mit einem glasüberdachten Lichthof als Mittelpunkt von Wertheim in der Oranienstraße eröffnet. Bereits 1897 folgte das zweite Warenhaus Wertheims in der Leipziger Straße. Dessen Architekt Alfred Messel hatte mit diesem Bau eine wahrhafte "Kathedrale des Handels" geschaffen, die zum maßgeblichen Vorbild aller Geschäftshäuser nach 1900 werden sollte.
Ein Jahrzehnt nach dem Bau dieses Warenhauses wurde die Friedrichstraßen-Passage errichtet. Man versuchte hier sowohl das Prinzip eines Warenhauses als auch das einer Passage in einem Bau zu vereinigen. In seiner Erbauungszeit 1907- 1908 war er nach der Kaisergalerie Unter den Linden der zweite bedeutende Passagebau in Berlin und die letzte große Passage Europas. Die als Konkurrenzunternehmen der Einzelhändler zu den großen Warenhäusern gedachte Vereinigung des Detailhandels unter einem gemeinsamen Dach drückte sich auch in der eigenständigen architektonischen Form aus. Die vielen kleinen Geschäfte, deren Vereinigung das vom Initiator des Unternehmens, Otto Markiewicz, geplante Spezialwarenhaus darstellte, sollten deshalb optisch nicht voneinander getrennt werden, wie es bei der Passage normalerweise der Fall war. Vielmehr sollten alle Räume, wie in den anderen führenden Warenhäusern, ineinander übergehen. Die Mieten wurden je nach Lage und Gewinn der einzelnen Betriebe gestaffelt. Deshalb wurden alle Geschäfte über eine zentrale Kassenstelle kontrolliert, deren Rohrpostanlage mit einer Gesamtlänge von 21000 m die größte in Europa war. Mit dem imposanten Gebäude - eine Investition von 7 Millionen Goldmark - versprachen sich die Mieter der Passage erhebliche Umsatz- und Gewinnsteigerungen. Im Zuge der sich in ganz Deutschland nach amerikanischem Modell verbreitenden neuartigen Wirtschaftsorganisation sollte die Friedrichstraßen-Passage ein Musterbeispiel für die Zukunft abgeben.

Der Architekt dieses Baukomplexes, der Kaiserliche Baurat Franz Ahrens, nahm die als modern und bahnbrechend geltenden Messelschen Formen des Warenhauses Wertheim am Leipziger Platz zum Vorbild seines Entwurfes für die Friedrichstraßen-Passage. Er steigerte die Monumentalität noch durch einen überdimensionierten Kuppelbau aus Stahlbeton. Mit der architektonischen Gliederung der beiden Torbauten der Friedrichstraßen-Passage zitierte er einen der Vorentwürfe für Messels Kopfbau am Leipziger Platz aus dem Jahr 1904.

Ludwig Hoffmann, Stadtbaurat von 1896 bis 1924, kommentierte auf der Bauausstellung von 1907 das genehmigte Modell der Friedrichstraßen-Passage gegenüber seinem Freund und Kollegen Alfred Messel als "Radaumodell". Eine zeitgenössische Beschreibung bezeichnet diese Monumentalität insgesamt als "cyklophaften" Baustil; der Begriff ging dann tatsächlich in die Kunstgeschichte als "Zyklopenstil" ein.

Das Relikt der Friedrichstraßen-Passage an der Oranienburger Straße mit seinem monumentalen Eingangsportal ist das letzte erhaltene Bauwerk dieses Stils bei einem Geschäftsgebäude in Berlin. Alle Warenhausbauten dieser Form sind heute aus dem Stadtbild verschwunden bzw. nur noch fragmentarisch erhalten - so etwa das ehemalige Warenhaus Wertheim von 1904 in der Rosenthaler Straße.

Das von Markiewicz entworfene Verkaufsmodell in der neuen, auch heute noch für amerikanische „shopping-malls" aktuellen Organisationsform, versagte jedoch im Berlin der Kaiserzeit. Bereits ein halbes Jahr nach der Fertigstellung der Bauanlage im August 1908 mußte das Passage-Kaufhaus Konkurs anmelden. Wolf Wertheim mietete den gesamten Komplex im Frühjahr 1909 an und eröffnete hier ein Warenhaus. Jedoch blieb auch diesem Unternehmen der dauerhafte Erfolg versagt: die hohen Mietforderungen der Eigentümergesellschaft führte Anfang 1914 ebenfalls zur Geschäftsaufgabe.

Bis zum Jahre 1924 gibt es keine erhaltenen Unterlagen über den Werdegang der Friedrichstraßen-Passage. Erst wieder aus dem Jahr 1924 ist eine Zeichnung vom Einbau des Tiefkellers, unterhalb des heute noch erhaltenen Traktes in der Oranienburger Straße, erhalten geblieben. Dieser wird in den späteren Gutachten mit „Tresorraum" bezeichnet. Aus der Zeichnung geht hervor, daß in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg umfangreiche Um- und Ausbauarbeiten stattgefunden haben müssen. Die Höhe der Passage wurde bis zu den Schaufenstern im Erdgeschoss mittels einer Stahl-Glas-Konstruktion herabgezogen. Durch die Reduzierung der Deckenhöhe des Passagenraumes wurde der Eindruck der ehemaligen Friedrichstraßen-Passage vollkommen verändert.




Die Friedrichstraßen-Passage war der erste große Eisenbetonbau in Deutschland, der nach der neuen Bauordnung von 1907 errichtet wurde. Der gesamte Komplex der Passage wurde in der erstaunlich kurzen Bauzeit von 15 Monaten vollendet; dies war nur durch die Anwendung der neuen Konstruktionsweise in Eisenbeton möglich.

Der Neubau einer solchen Passage bedeutete einen gewaltigen Fortschritt und war damit bahnbrechend für die Verwendung des Eisenbetons bei monumentaler Baukunst, die in den folgenden Jahren für Berlin so wichtig werden sollte. Nicht nur Fundamente, Decken und Stützen, sondern auch sämtliche Dächer wurden massiv in armiertem Beton ausgeführt. Die Straßenfronten des Gebäudes wurden als sogenannte „Vorhängefassade" ausgeführt: das Natursteinmauerwerk und die schmückenden Bronzeelemente hingen vor der Hintermauerung aus Ziegeln. Monumentale Torbauten akzentuierten die Eingänge. Die bis zum obersten Stockwerk des insgesamt fünfgeschossigen Gebäudes hinaufreichenden kolossalen Rundbögen konnten nur durch die moderne Konstruktionsweise in dieser Form ausgeführt werden. Mit großer Eleganz wurde der moderne Eisenbetonskelettbau mit der historisierenden Steinhülle verknüpft, so daß die Monumentalität der Torbauten deutlich die Erinnerung an mittelalterliche Stadttore weckte. Verstärkt wurde der Eindruck des Monumentalen durch die strenge Vertikalgliederung des gesamten Gebäudes durch Pfeiler und Stege, die die über der Erdgeschosszone zurückspringenden Gebäudeteile rhythmisch gliederten. Das vorgezogene Erd- und Zwischengeschoss war durch eine galerieartige Brüstung nach oben abgeschlossen, auf deren Postamenten laternenartige, in Kupfer getriebene Aufsätze standen. Die Schaufenster bestanden - wie auch die Eingangstore - sämtlich aus Bronze. Während die Fassaden der inneren Passage bis zur Höhe des 1. Obergeschosses wie die Außenfassaden eine komplette Werksteinverkleidung aus grau-gelblichem Muschelkalkstein zeigten, waren sie in ihren oberen Stockwerken zum Teil unbekleidet - d. h. die rohe, rötlich gefärbte Eisenbetonfläche war nur mit Scheinfugen versehen worden. Teilweise erhielten diese Flächen aber auch Plattenbekleidung in Marmor oder Majolika und gaben damit dem Ganzen, trotz der rohen Eisenbetonbauweise, ein repräsentatives Äußeres. Der Fußboden war mit Fliesen belegt.



In den Torbögen befanden sich in den unteren Geschossen je eine von Kreuzgratgewölben überspannte Halle sowie ein brückenartiger Übergang. Die Eingänge, die von der Brücke in den Innenraum der Passage an der Oranienburger Straße führten, waren von je zwei überlebensgroßen Steinskulpturen flankiert, während der Torbogen Friedrichstraße über keinen skulpturalen Schmuck verfügte. Die Brücke innerhalb der Passage erinnerte an die Brücke in Venedig und erhielt deshalb den Namen "Rialtobrücke".

Ein absolutes Novum der Baukonstruktion war die Anwendung des Eisenbetons bei der weitgespannten Kuppel. Sie war als eine in Rippen vollständig aufgelöste Glaskuppel gestaltet, so daß der Charakter einer offenen Halle gewahrt blieb. Eine besondere Lichtwirkung wurde durch die bläuliche Färbung des Drahtglases erzielt. Diese stand im deutlichen Kontrast zu den eingefärbten Wänden der Passagendurchgänge, durch die das Licht eine rötliche Färbung annahm. Die Glaskuppel wies inklusive der Laterne eine Höhe von 48 m und einen Durchmesser von 28,5 m auf. Der Kuppelraum wurde durch ein kräftig gemustertes Mosaikpflaster als Zentrum des Gebäudes besonders hervorgehoben. An den 14 Meter hohen Bögen, die die Eingänge zu den 13 Meter breiten Passagenarmen bildeten, waren Statuen aufgestellt. Die Allegorien des weltumspannenden Handels - Amerika, Afrika, Asien und Australien - schuf der Bildhauer Richard Kühn.

Über den beiden großen Freitreppen aus Marmor, die an der Nord- und Südseite des Kuppelsaals in die Sonderräume der Belle-Etage führten, befanden sich reitende Figuren des Bildhauers Pritel. Unter diesen Freitreppen führten Eingänge in die prachtvoll ausgestatteten Vestibüle. Das nördliche Vestibül war mit einem reichen Marmorbrunnen ausgestattet, das südliche mit Goldmosaik an Säulen und Wandflächen dekoriert.
Sondersäle und
Infrastruktur


Eine große Attraktion stellten die ausgesprochen luxuriös ausgestatteten Sonderräume der Passage dar. Sie sollten den Ladenmietern als besondere Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, damit in dieser künstlerisch aufwendig gestalteten Umgebung Verkaufsausstellungen durchgeführt werden konnten. Von besonderer Pracht waren die beiden Verkaufssäle in den Torbauten. An der Friedrichstraße lag ein mit erlesenen Hölzern verkleideter und farbigen Fenstern ausgestatteter zweigeschossiger Saal zur Präsentation von Musikinstrumenten, der auch die Möglichkeit zu Konzertveranstaltungen bot. Den Hauptstimmungsfaktor dieses Raumes bildete das auf Gold- und Silbergrund gemalte große Fenster, dessen Ausführung und Bildmotiv - Frauengestalten mit Musikinstrumenten - viel Resonanz fanden. Im Torbau Oranienburger Straße war der entsprechende Saal als maurische Moschee gestaltet, da hier Teppiche angeboten wurden. Über die nördliche Freitreppe des Kuppelraumes gelangte man in ein mit Travertinplatten ausgestaltetes Vestibül. Dieses bildete den Auftakt zu einer Folge von drei hintereinanderliegenden Sondersälen:

Roter und Blauer Saal



Im sogenannten "Blauen Saal" waren die Wände im unteren Teil mit blauem Samt bespannt, die oberen Wandflächen des 7,5 m. hohen Raumes mit völlig neuartigen "Silhyo"-Platten aus Glasfluss verkleidet. Ein Erker in Bronze, Fenster mit geschmackvoller Bleiverglasung, eine reizvoll gemalte Decke und ein gemusterter Holzmosaikfußboden vervollständigten das Interieur dieses Raumes.
Durch zwei breite rundbogige Öffnungen gelangte man in den "Roten Saal", der nach Art einer englischen Halle in seiner ganzen Höhe mit einer Wandvertäfelung aus Mahagoniholz versehen war. Besondere Aufmerksamkeit verdienten hier die Wandbeleuchtungskörper. Eine ebenfalls in Mahagoni ausgeführte Galerie sowie eine reichbemalte, in hellen Tönen gehaltene Decke und das zierliche Muster des Holzmosaikfußbodens vervollständigten das Bild dieses Innenraumes
Gelber Saal

Durch ein in Mahagoniholz getäfeltes Vestibül erreichte man schließlich den "Gelben Saal", der sich mit seinen Fenstern zur Oranienburger Straße hin öffnete. Der Raum wies eine Höhe von ca. 7,50 m auf und erstreckte sich über 2 Geschosse. Die Pfeiler der Empore waren mit gelbem Siena-Marmor, der dem Saal seinen Namen gab, bekleidet und mit Ein- und Auflagen aus Bronze geschmückt. Auf der Empore gruppierten sich die halbrund nach vorn gewölbten Anprobekabinen der Damenkonfektionsabteilung. Sie und alle weiteren auf der Galerie angeordneten Holzeinbauten waren aus hellpoliertem Eichenholz gefertigt. Zierliche Lampengehänge und zahlreiche Spiegel vervollständigten die Wirkung dieses Raumes, in dem neben Hüten auch luxuriöser Damenputz und modische Accessoires angeboten wurden.
Der ehemalige "Gelbe Saal" dient heute als Theatersaal des TACHELES.

Warentransport

Der Transport der Waren wurde durch ein vertikales, horizontales und rotierendes System ermöglicht. Vom Keller aus wurden die Waren auf einem Gurtconveyer zu einer Zentralstelle unter dem zentralen Kuppelraum befördert und von dort erfolgte die Expedition.


Rohrpostsystem

Im Erdgeschoss, im Zentrum des Komplexes neben dem Kuppelraum, befand sich der große Zentralkassenraum. Von hier aus wurden die 150 Kassen des gesamten Betriebes durch eine pneumatische Rohrsystemanlage bedient. Von jeder Verkaufsstelle führten je zwei Messingrohre von 50 mm Durchmesser zur Zentrale. Geld und Kassenbon wurde in einer Patrone mittels Luftdruck in wenigen Sekunden zur Zentralkasse befördert. Dort erfolgt die Abrechnung und der Bon mit dem Wechselgeld wurde durch das zweite Rohr wieder zurückgesandt. Die Messingförderrohre waren in einer Gesamtlänge von 21.000 m an der Kellerdecke verlegt und stiegen von dort senkrecht in die Stockwerke auf.

AEG-Haus
der Technik


Am 25.9.1927 wurden die Schau- und Verkaufsräume der AEG in der Luisenstraße 35 durch Feuer zerstört. Als Ort der neuen Präsentation der Ausstellungsstücke wählte man das nahegelegene ehemalige Passage-Kaufhaus, das durch seine Größe neben den Ausstellungsflächen für die AEG-Beleuchtungskörper GmbH auch Raum zur Unterbringung des Installationsbüros bot. An der Friedrichstraße wurden zusätzlich die 1. und 2. Etage angemietet. Die AEG-Abteilungen belegten 20 Schaufenster im Erdgeschoss des Gebäudekomplexes, dazu kamen Verkaufs- und Büroräume auf einer Fläche von insgesamt 10500 m2. In den ehemaligen Sonderräumen (Blauer, Roter und Gelber Saal) eröffnete man Ausstellungen, in denen die vielfältige elektrotechnische Produktpalette des Unternehmens präsentiert wurde.


Mit dem Einzug der AEG in das frühere Passage-Kaufhaus entstand ein Sammelpunkt für den Markt der Berliner Maschinen- und Elektroindustrie. Die „Berliner Commerz- und Privatbank" als Inhaberin des Gebäudekomplexes benannte deshalb die Friedrichstraßen-Passage in "Haus der Technik" um. Der Passagenraum selbst war zur Friedrichstraße hin bereits bei dem Umbau von 1923/24 neu gestaltet worden. Die Höhe der Passage wurde mittels einer Stahl-Glas-Konstruktion bis zu den Schaufenstern im Erdgeschoss reduziert, was den Eindruck der ehemaligen Friedrichstraßen-Passage vollkommen veränderte. Die langgestreckte Passage glich nun einer breiten Verkehrsstraße mit vielen Schaufenstern und Schaukästen. Von der AEG wurden im Durchgang der Passage zusätzlich Vitrinen aufgestellt, in der die Metallwerke Oberspree ihre Produkte präsentierten.

Zu beiden Seiten des Passageeingangs an der Friedrichstraße waren im Erdgeschoss die Verkaufsräume der Abteilungen Beleuchtungskörper und das sogenannte Installationsbüro untergebracht. Dort konnten die Interessenten jede gewünschte Auskunft über Leitungsverlegung, Heiz- und Gebrauchsapparate, Kraftantriebe, Beleuchtungsanlagen usw. an zentraler Stelle erhalten. Neben dem Installationsbüro Berlin, der AEG-Beleuchtungskörper GmbH und der Stadtabteilung Norden waren später auch die Lichtreklame-Vertrieb GmbH, die Metallwerke Oberspree und die AEG-Deutsche Werke AG hinzugekommen. Als besonderer Service wurde eine Kundenberatung in einem eigens dafür hergerichtetem lichttechnischen Vorführraum angeboten. Daneben bot man Schaukochen und Vorführungen über den Umgang mit modernen technischen Geräten in speziell dafür eingerichteten Räumlichkeiten an.



Die Kennzeichen der angebotenen Produkte waren „Sachlichkeit und Schönheit" im Sinne des zeitgenössischen Stils der „Neuen Sachlichkeit", der auch die Gestaltung der Ausstellung prägte. Die zeitgemäße Devise der harmonischen Verschmelzung von Form und Inhalt galt auch für die architektonische Gestaltung der Schauräume. An der Garderobe-, den Anmelde- und Verwaltungsräumen vorbei führte der von zwei Freitreppen eingefasste Eingang im Kuppelraum der Passage in das Innere der Ausstellung. Auch dort waren die Türgewände mit einer horizontal gegliederten und indirekt beleuchteten Stahl-Glas-Verkleidung neu gestaltet. Die gesamte Ausstellungsfläche umfasste drei große Säle mit Verbindungsräumen und einen großen Vortragsraum, dem ehemaligen „Gelben Saal" der Friedrichstraßen-Passage.


Die Außenfassade erhielt durch drei riesige Buchstaben des AEG-Firmenlogos ein völlig neues Aussehen. Die neuinstallierte Beleuchtungsanlage brachte insbesondere abends und nachts das Gebäude zur Geltung. Zu bestimmten Anlässen, wie etwa der Veranstaltungsreihe „Berlin im Licht", wurden die monumentalen Architekturformen des Torbogens der alten Passage durch Lichtinstallationen wieder hervorgekehrt und damit zu neuem Leben erweckt.


Die Passage in
der Nachkriegszeit

1945 bis 1990
Wie fast alle Bauten Berlins wurde auch die Friedrichstraßen-Passage im 2. Weltkrieg stark beschädigt. Die Zerstörungen waren vor allem auf Beschuss und daraus entstandene Brandeinwirkungen zurückzuführen. Jedoch war zu Kriegsende ein großer Teil des Gebäudekomplexes noch in relativ gutem Zustand. Nach 1945 konnte deshalb die Hälfte aller Fläche der ehemaligen Passage sofort provisorisch für eine Nutzung wieder hergerichtet und partiell vermietet werden - u. a. an das Deutsche Reisebüro, die Artistenschule, eine Hundeschuranstalt, an verschiedene Handwerksbetriebe, Büroräume von RFT, Fachschule für Außenwirtschaft etc. Im Torbau der Friedrichstraße eröffnete das erste Kino "Camera". Als der schlechte Bauzustand des provisorisch untergebrachten Kinos Ende der fünfziger Jahre keine Nutzung mehr erlaubte, wurde der ehemalige Vortragssaal der AEG - heute Theatersaal des Kunsthauses Tacheles in der Oranienburger Straße - zum Kino ausgebaut. Dieses wurde unter dem neuen Namen "OTL" - Oranienburger Tor Lichtspiele - eröffnet. Im Jahr 1958 kam es deshalb bei dem an der Oranienburger Straße gelegenen Gebäudeteil zu umfangreichen Umbau- und Sicherungsmaßnahmen. Die Umwandlung des ehemaligen Vortragsaales der AEG zum OTL-Lichtspieltheater erforderte darüber hinaus Veränderungen an der Fassade, die Schaffung eines Kassenbereiches und eines Foyers. Von diesem wurde ein Deckendurchbruch zum Zwischengeschoss angelegt und der Treppenaufgang eingebaut, der heute noch den Haupteingang zum Kunsthaus Tacheles bildet. 1972 wurde das Kino erneut umgebaut und erhielt danach die alte Bezeichnung Kino "Camera" zurück.


Die jahrelange intensive Nutzung der Räume - ohne ausreichende Sanierung - verursachte Schäden am Gebäude, die als Spätfolgen für die Passage größere Auswirkungen hatten als die ursprünglichen Kriegsschäden selbst. 1977 wurden deshalb mehrere Gutachten erstellt, die über eine mögliche Sanierung oder den Abriss der Ruine Aufschluss geben sollten. In allen Stellungnahmen befürworteten die Gutachter den Abriss. Der Gebäudekomplex an der Oranienburger Straße mit dem Kinosaal wurde jedoch in seiner Substanz als relativ gut erhalten bezeichnet. Deshalb empfahl man, diesen Bauteil als letzten Abschnitt abzureißen, damit der Betrieb des Kinos "Camera" möglichst lange aufrecht erhalten werden konnte
Im Jahr 1980 wurde aufgrund des schlechten Bauzustandes und vor allem aufgrund der Planung einer neuen Verbindungsstraße, die eine Verkürzung von der Oranienburger zur Friedrichstraße herstellen sollte, mit dem Abriss der ersten Gebäudeteile in der Friedrichstraße begonnen. Dies erfolgte durch partielle Sprengungen und aufgrund der angrenzenden Bebauung zu großen Teilen auch manuell.

1982 wurde schließlich der noch vollständig erhaltene Kuppelbau gesprengt und das Kino "Camera" in der Oranienburger Straße geschlossen. Da sich der Abriss und die Entsorgungsarbeiten sehr lange hinzogen, blieb der letzte Flügel des Gebäudes in der Oranienburger Straße bis nach der Wende 1989 erhalten.


Sprengung Passagenteil Friedrichstraße und Kuppelbau (1982)
Sammlung Museum Mitte von Berlin Berlin

Am 13. Februar 1990 wurde dieser Teil der Passage besetzt. Die Besetzer, die sich als Künstlerinitiative Tacheles (jiddische Bezeichnung für "Klartext" reden) bezeichneten, meldeten durch ihren Rechtsanwalt den Denkmalverdacht des Hauses an, um eine Sprengung dieses kulturhistorisch bedeutsamen Gebäudes zu verhindern. Das Tacheles stellte bereits im März einen Dringlichkeitsantrag am Runden Tisch, der die für den 10. April 1990 anberaumte Sprengung in letzter Minute verhinderte. Neue Gutachten wurden erstellt und seit Oktober 1990 steht der noch verbliebene Rest der Friedrichstraßen-Passage unter Denkmalschutz

Kunsthaus Tacheles


Im 1992 erschienen Fotoband "Tacheles - Alltag im Chaos" wurden erstmals die Anfänge des Kunsthauses Tacheles detaillierter beschrieben. Die Besetzung der Restruine der Friedrichstraßen-Passage wird darin als ein Akt dargestellt, der einen neuen Gründungs- und Besetzergeist im rechtsfreien Raum der ehemaligen DDR aufleben ließ. Wie die Publikation ausführt, war die Besetzung zunächst von Künstlern aus dem Ostteil Berlins ausgegangen. „..Dazu kamen Leute mit Besetzererfahrungen aus dem Westteil der Stadt. Sie beschleunigten die praktische Annexion des Gebäudes, äußerten Revieransprüche mittels bemalter Fassaden und fertigten Symbole kulturellen Eigenlebens....Eingebaut in den symbiotischen Organismus aus Ruine und rekultiviertem Funktionsbereich sind Fundstücke, verwertbarer Zivilisationsmüll, geschieht die Einverleibung und die Gestaltung der Räume mit Farbe, Installationsbau unter Verwendung von Schrott, Teer, Sand, Federn, Schaumgummi und anderen Materialien, entstehen vergängliche Skulpturenvironments..."

Die jungen Künstler der sogenannten „dritten Generation", die nach der Wende wie in einem Zeittunnel in der Ruine an der Oranienburger Straße den von den Großvätern zurückgelassenen Nachkriegszustand, eine Art lokale „Stunde Null" in materialisierter Form vorfanden, begannen den dort abgelagerten Kriegs- und Wendemüll zu verarbeiten. Stahl und Schrott waren die authentischen Materialien, die sie auf dem Gelände selbst fanden. Bei ihren Arbeiten zählte lediglich die Kunstaktion selbst, kommerzieller Erfolg war Nebensache. Die Künstler planten von vornherein eine zeitliche Begrenzung der Aktionen ein. Wichtig war allein die Lust am künstlerischen Arbeiten und die in diesem Zusammenhang stattfindenden Performances und Happenings.

Sehr früh stellte sich jedoch heraus, daß sich in den 50 Jahren der unterschiedlichen deutschen Entwicklung nicht nur eine je unterschiedliche Gesellschaftsform, Architektur und Kunst entwickelt hatte, sondern auch unterschiedliche Sprach- und Kommunikationsregeln. Auch im Tacheles, das den darin Arbeitenden oft wie ein Mikrokosmos der ganzen Gesellschaft erschien, war eine Verständigung anfangs enorm erschwert. Die Worte ein und derselben Sprache waren mit unterschiedlichen Emotionen und einem völlig differenten Verhaltenskodex im Bereich der Ökonomien besetzt. Dies führte immer wieder zu Missverständnissen und Abgrenzungen. Viele Künstler, die aus beiden deutschen Staaten gekommen waren und zunächst ihr Schaffen in diesem Haus in der alten Mitte Berlins gemeinsam begannen, gingen auf der ökonomischen Ebene sehr schnell wieder getrennte Wege.

Die verbindende Gemeinsamkeit - das Haus selbst - blieb jedoch als Basis für alle Künstler bestehen. Trotz der weiterhin ungesicherten Rechtsposition etablierten sich in der Folgezeit eine ganze Reihe unterschiedlicher Einrichtungen in der Ruine an der Oranienburger Straße. Die Gewichtsverlagerung von der spontanen Kunstaktion zu einem stetigen Kulturbetrieb schildert auch eine 1997 vom Trägerverein "Tacheles e.V." herausgegebene Broschüre, jetzt stehen Sicherung und Ausbau des Standorts im Mittelpunkt: „..Seitdem (seit der Besetzung 1990) wird das denkmalgeschützte Gebäude in Eigenleistung instandgesetzt und zur Präsentation und Produktion von Kunst genutzt"... Als Kunst- und Kommunikationszentrum, Aktions- und Veranstaltungshaus hat sich das Tacheles - teils gegen nicht wenige Widrigkeiten - zu einer festen Adresse im Berliner Kulturleben entwickelt, deren Ausstrahlung durchaus auch über die engen Kreise der umliegenden Szene hinausgeht.


METROPOLIS BERLIN - HOCHGESCHWINDIGKEITSARCHITEKTUR

In den Jahren 1996 und 1997 wurden gemeinsame Überlegungen zu Erhalt und zukünftiger Gestaltung des Areals der ehemaligen Friedrichstraßen-Passage in vier Veranstaltungen der Diskussions-Reihe "Metropolis Berlin, Hochgeschwindigkeitsarchitektur" öffentlich mit Künstlern des Tacheles, Politikern, Soziologen und Architekten diskutiert.

Man versuchte dabei, Wege zu finden, die das Haus weiterhin öffentlich und künstlerisch unabhängig aufrechterhalten und zusätzlich auch die historische denkmalgeschützte Substanz sichern sollten. Es wurde dafür ein Sanierungsmodell für das gesamte Areal der ehemaligen Friedrichstrassen-Passage in Form des "Work in Progress" gefordert.
Viele Stimmen bestätigten hierbei, daß das öffentliche Interesse an einer Mitgestaltung des zukünftigen Lebensraumes in Berlin-Mitte für verschiedene soziale Schichten von starker Bedeutung sei. Das Gelände der ehemaligen Friedrichstrassen-Passage stand dabei im Mittelpunkt der Diskussion, da es sich - geographisch bedingt - durch den Regierungsumzug zu einem Dreh- und Angelpunkt der Umstrukturierung der gewachsenen Bevölkerung aus der Spandauer Vorstadt und der neu entstandenen Kulturszene zu entwickeln drohte. Es wurde befürchtet, daß das zentral gelegene historische Quartier der Spandauer Vorstadt mit seinen vielen Denkmalobjekten und der Kunst-Ruine Tacheles als eine geeignete Kulisse für die neue ausgewechselte Bewohnerschicht verfügbar gemacht werden sollte und daß damit die spezifisch herausgebildete Vitalität dieses Quartiers verloren ginge.

Die Künstler forderten deshalb damals eine öffentliche Diskussion zum Bebauungsplan des Areals, die zu einem zukunftsfähigen Ergebnis führen sollte. Darunter verstanden die KünstlerInnen eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten der künftigen Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren eigenen Lebensstil zu wählen.

TEXTAUSZUEGE
http://www.dhm.de/museen/berlin-mitte/tacheles.htm

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